Sonntag, 5. April 2015

REHA und die Zeit danach

Viel Zeit vergangen seitdem ich den letzten Text hier hinterlassen habe…
Mir war einfach nicht nach schreiben, aber nun versuche ich mich mal an einer Zusammenfassung.

Vor REHA Antritt galt es einiges zu besorgen und zu regeln, was mir aufgrund immer wieder aufkommender Zweifel und Lethargie nicht so leicht von der Hand ging. Mein persönlicher Horror kam aber erst beim Koffer packen. Schon mein ganzes Leben eine Sache an der ich verzweifle. Nie kann ich entscheiden was ich wirklich brauche. Am liebsten würde man immer alles mitnehmen. Fünf Wochen plus evtl. eine Verlängerung und das Ganze auch noch im Winter. Am Ende nach mehrmaligem um entscheiden waren zwei Koffer und eine Reisetasche gepackt und ich fix und fertig.

Als ich dann endlich im Zug war natürlich tausend Gedanken, ob auch ja alles benötigte eingepackt ist. Aber irgendwie doch auch so etwas wie „Freude“ einen Neustart zu haben. Bei jedem umsteigen die Panik den Anschlusszug nicht rechtzeitig zu erreichen, oder in den falschen einzusteigen. Die Fahrt über Nacht natürlich ohne Schlaf, sonst könnte man ja das umsteigen verpassen. Am Zielort angelangt dann allein am Bahnhof in einer fremden Umgebung… Die Klinik anrufen und sich abholen lassen, ein Ding der Unmöglichkeit, da anrufen ja eines der „unlösbaren Probleme“ darstellt. Also nach sieben Stunden Zugfahrt am frühen Morgen zu Fuß den Weg zur Klinik gesucht.

Dort angekommen, „Oh…Ihr Zimmer ist noch nicht fertig, gleich kommt eine Schwester und kümmert sich um Sie.“. Gefolgt von ewigem Warten mitten auf dem Präsentierteller in der Eingangshallte für jeden ersichtlich „Das ist eine von den Neuen“. Panik…hoffentlich spricht mich niemand an. Zu spät… schon von einer Patientin entdeckt und der Redeschwall von dem ich nur die Hälfte wirklich mitbekomme beginnt. Nach dem ersten Schreck, dann der Gedanke „Die scheint ganz nett zu sein“. Endlich kommt nun auch eine Schwester und das Aufnahme Prozedere beginnt. Immer noch ohne Zimmer und Plan was eigentlich wo ist, muss ich dann zur Ärztin zur weiteren Untersuchung, diese wird auch gleichzeitig meine Bezugstherapeutin für die nächsten Wochen sein.
3-mal verlaufen und über den eigenen Schatten gesprungen und nach dem Weg gefragt, endlich im Untersuchungszimmer angelangt, der erst wirkliche Lichtblick! Sie scheint nett und interessiert und auch die Chemie stimmt auf Anhieb.

Endlich was zu essen, seit 24 Stunden gab es nichts mehr zu futtern. Der nächste Horror, ein voller Speisesaal. Unheimlich viele Menschen, man kennt keinen einzigen Menschen und hat auch keine Ahnung wie hier der Ablauf ist und wo man sich eigentlich hinsetzen soll. Erste Grüppchenbildung, die „Neuen“ treffen aufeinander. Wenigstens fühlt man sich nun nicht mehr ganz so allein. Nach dem Essen ist auch endlich mein Zimmer fertig. Der Einzug kann beginnen. Soweit ganz OK. Einzelzimmer, ja hier kann ich es aushalten. Koffer auspacken und endlich eine Dusche. Dann Oh Wunder, folgt endlich eine Führung durch das Haus, leider nicht vollständig, wie man in den nächsten Tagen immer wieder feststellen muss. Dann das Abendessen und danach gleich das für die nächsten Wochen gleichbleibende Ritual mit den „Neuen“ gemeinsam noch einen Kaffee trinken.

Den Rest nun nicht mehr tageweise, erstens zu viel zum schreiben und zweitens weiß ich das meiste wohl eh nicht mehr :-)

Man knüpft erstaunlich schnell Kontakte und lernt Menschen kennen zu denen man außerhalb der Käseglocke wohl nie Kontakt hätte. Einige gehen offen mit Ihren Geschichten um, andere erzählen nur das nötigste. In allen Therapie Einheiten (Ergo, Bewegung, Wassergymnastik, Gruppentherapie…) sieht man andere Gesichter und ist gezwungen Kontakt mit „Fremden“ zu haben, was mir doch ganz schön schwer fällt. Die für mich so wichtigen Einzelgespräche mit dem Bezugstherapeuten kommen mit 2x pro Woche 30 Minuten relativ kurz. Oft wird in Grüppchen beim Rauchen oder Kaffee trinken die Frage aufgeworfen, ob das überhaupt was bringt. Einige fühlen sich fehl am Platz, manche haben auch keinen Draht zum Ihrem Therapeuten. Ich sehe in diesen Wochen viele Gesichter kommen und gehen. Manch einer bricht auch frühzeitig ab, weil er keinen Sinn darin sieht. Auch mir stellt sich diese Frage das ein oder andere Mal. Dennoch habe ich entschieden zu bleiben und für mich mitzunehmen was geht und versucht so viel wie möglich über mich selbst zu lernen. Dabei war vieles wie im richtigen Leben außerhalb dieser Käseglocke, nur eben komprimiert. Man lernt Menschen schneller kennen und oft wird aus anfänglichem sich gut verstehen ein „Boah, nee die Person geht gar nicht.“ Bei einigen Abreisenden brach eine Welt zusammen und man hat geheult. Bei anderen ging die Abreise vorüber, ohne dass man es merkte. Weihnachten und Silvester gingen als Nebensächlichkeiten an mir vorbei. Tage an denen ich mich sehr zurückgezogen habe und meine Ruhe haben wollte. Es waren Tage an denen viele Tränen geflossen sind und die Erinnerungen über einen hereinbrachen.

Während der REHA gingen meine Leberwerte extrem durch die Decke auch eine Umstellung der Tabletten brachte keinen Erfolg. Man sagte mir dann man müsste die Tabletten absetzen und ich könnte „Tavor“ als Notfallmedikament bekommen… Gleichzeitig kamen die Warnungen was das Zeug für Nebenwirkungen hat und ich dachte mir nur „NEIN, sooo schlecht kann es mir nicht gehen.“ Lieber verzog ich mich in mein Loch und heulte, als dass ich dieses Zeug genommen hätte.

Die Tage vor der Abreise waren recht chaotisch zum einen wieder packen und dann hieß es zuerst man würde mich Arbeitsfähig entlassen, dann zwei Tage vor der Abreise, man hätte sich nochmal zusammengesetzt und beschlossen es doch nicht zu machen ich sollte mal noch 6-12 Wochen zu Hause bleiben. Ich sei noch nicht stabil genug. Am Tag der Abreise dann ein lachendes und ein weinendes Auge, zum einen klar ist man immer froh, wieder nach Hause zu kommen, auf der anderen Seite ließ man jetzt doch auch Menschen zurück die einem echt ans Herz gewachsen sind.

Wieder zurück, war ich eigentlich genauso weit wie vor der REHA. Die gleichen Tagesabläufe und Gedanken Karusselle. Übrig geblieben sind wenige Menschen zu denen man hin und wieder Kontakt hat, realistisch gesehen wird auch das wohl irgendwann vorbei sein. „Aus den Augen aus dem Sinn.“ Einige Sachen hat man sich gemerkt und versucht sie anzuwenden. Manches funktioniert auch ganz gut. Andere Dinge verdrängt man doch immer wieder, obwohl man eigentlich weiß, dass es einem helfen würde. Ich geb nicht auf und versuche weiter den verdammten Berg hoch zukommen auch, wenn ich immer wieder runterrutsche.

Endlich hab ich inzwischen nach einem CT und einem Orthopäden Termin auch den Grund für meine Rückenschmerzen, die jeder immer nur mit „Ach, da ist nix“ abgetan hat. Kurz vor einem Bandscheibenvorfall… also immer schön vorsichtig.

Psychologisch besteht aktuell keine Betreuung. Die Therapeutin, welche ich ja vor der REHA hatte, hat die Zeit in der ich weg war leider nicht genutzt um einen Antrag bei der Kasse zu stellen und auch kein einziges Mal nach mir gefragt (bei meinen Mitpatienten in der REHA meldeten sich die jeweiligen Therapeuten mindestens einmal pro Woche). Auch habe ich durch die Erfahrung mit der Therapeutin in der REHA feststellen müssen, dass passende Chemie wichtig ist und hier auch nicht bestand. Also muss die Suche nach einem Platz von vorne beginnen, das habe ich bisher allerdings nicht geschafft… einfach keinen Nerv mich wieder in die endlosen Warteschleifen zu hängen und Anrufbeantwortern zuzuhören.

Inzwischen hat das Arbeitsleben auf meinen eigenen Wunsch hin auch wieder begonnen. In der Hoffnung dadurch wieder eine gewisse Stabilität und Regelmäßigkeit in meinen Alltag zu bringen. Die Tage vorher waren ein ganz schönes durcheinander. Angst und Freude hielten sich die Waage. Schon komisch nach fast einem Jahr zurück an den alten Arbeitsplatz zu gehen. Viele aus der REHA haben den Job gewechselt, oder sind noch nicht soweit. Ich hoffe mich wieder einleben zu können und mich nicht fremd zu fühlen und irgendwann festzustellen, dass es nicht mehr geht. 

Die nächsten Wochen werden es zeigen…