Viel Zeit vergangen seitdem ich den letzten Text hier
hinterlassen habe…
Mir war einfach nicht nach schreiben, aber nun versuche ich
mich mal an einer Zusammenfassung.
Vor REHA Antritt galt es einiges zu besorgen und zu regeln,
was mir aufgrund immer wieder aufkommender Zweifel und Lethargie nicht so
leicht von der Hand ging. Mein persönlicher Horror kam aber erst beim Koffer
packen. Schon mein ganzes Leben eine Sache an der ich verzweifle. Nie kann ich
entscheiden was ich wirklich brauche. Am liebsten würde man immer alles
mitnehmen. Fünf Wochen plus evtl. eine Verlängerung und das Ganze auch noch im
Winter. Am Ende nach mehrmaligem um entscheiden waren zwei Koffer und eine
Reisetasche gepackt und ich fix und fertig.
Als ich dann endlich im Zug war natürlich tausend Gedanken,
ob auch ja alles benötigte eingepackt ist. Aber irgendwie doch auch so etwas
wie „Freude“ einen Neustart zu haben. Bei jedem umsteigen die Panik den Anschlusszug
nicht rechtzeitig zu erreichen, oder in den falschen einzusteigen. Die Fahrt
über Nacht natürlich ohne Schlaf, sonst könnte man ja das umsteigen verpassen.
Am Zielort angelangt dann allein am Bahnhof in einer fremden Umgebung… Die
Klinik anrufen und sich abholen lassen, ein Ding der Unmöglichkeit, da anrufen
ja eines der „unlösbaren Probleme“ darstellt. Also nach sieben Stunden Zugfahrt
am frühen Morgen zu Fuß den Weg zur Klinik gesucht.
Dort angekommen, „Oh…Ihr Zimmer ist noch nicht fertig,
gleich kommt eine Schwester und kümmert sich um Sie.“. Gefolgt von ewigem
Warten mitten auf dem Präsentierteller in der Eingangshallte für jeden
ersichtlich „Das ist eine von den Neuen“. Panik…hoffentlich spricht mich
niemand an. Zu spät… schon von einer Patientin entdeckt und der Redeschwall von
dem ich nur die Hälfte wirklich mitbekomme beginnt. Nach dem ersten Schreck,
dann der Gedanke „Die scheint ganz nett zu sein“. Endlich kommt nun auch eine
Schwester und das Aufnahme Prozedere beginnt. Immer noch ohne Zimmer und Plan
was eigentlich wo ist, muss ich dann zur Ärztin zur weiteren Untersuchung,
diese wird auch gleichzeitig meine Bezugstherapeutin für die nächsten Wochen
sein.
3-mal verlaufen und über den eigenen Schatten gesprungen und
nach dem Weg gefragt, endlich im Untersuchungszimmer angelangt, der erst
wirkliche Lichtblick! Sie scheint nett und interessiert und auch die Chemie
stimmt auf Anhieb.
Endlich was zu essen, seit 24 Stunden gab es nichts mehr zu
futtern. Der nächste Horror, ein voller Speisesaal. Unheimlich viele Menschen,
man kennt keinen einzigen Menschen und hat auch keine Ahnung wie hier der
Ablauf ist und wo man sich eigentlich hinsetzen soll. Erste Grüppchenbildung,
die „Neuen“ treffen aufeinander. Wenigstens fühlt man sich nun nicht mehr ganz
so allein. Nach dem Essen ist auch endlich mein Zimmer fertig. Der Einzug kann
beginnen. Soweit ganz OK. Einzelzimmer, ja hier kann ich es aushalten. Koffer
auspacken und endlich eine Dusche. Dann Oh Wunder, folgt endlich eine Führung
durch das Haus, leider nicht vollständig, wie man in den nächsten Tagen immer
wieder feststellen muss. Dann das Abendessen und danach gleich das für die
nächsten Wochen gleichbleibende Ritual mit den „Neuen“ gemeinsam noch einen
Kaffee trinken.
Den Rest nun nicht mehr tageweise, erstens zu viel zum
schreiben und zweitens weiß ich das meiste wohl eh nicht mehr :-)
Man knüpft erstaunlich schnell Kontakte und lernt Menschen
kennen zu denen man außerhalb der Käseglocke wohl nie Kontakt hätte. Einige gehen
offen mit Ihren Geschichten um, andere erzählen nur das nötigste. In allen
Therapie Einheiten (Ergo, Bewegung, Wassergymnastik, Gruppentherapie…) sieht
man andere Gesichter und ist gezwungen Kontakt mit „Fremden“ zu haben, was mir
doch ganz schön schwer fällt. Die für mich so wichtigen Einzelgespräche mit dem
Bezugstherapeuten kommen mit 2x pro Woche 30 Minuten relativ kurz. Oft wird in
Grüppchen beim Rauchen oder Kaffee trinken die Frage aufgeworfen, ob das
überhaupt was bringt. Einige fühlen sich fehl am Platz, manche haben auch
keinen Draht zum Ihrem Therapeuten. Ich sehe in diesen Wochen viele Gesichter
kommen und gehen. Manch einer bricht auch frühzeitig ab, weil er keinen Sinn
darin sieht. Auch mir stellt sich diese Frage das ein oder andere Mal. Dennoch
habe ich entschieden zu bleiben und für mich mitzunehmen was geht und versucht
so viel wie möglich über mich selbst zu lernen. Dabei war vieles wie im
richtigen Leben außerhalb dieser Käseglocke, nur eben komprimiert. Man lernt
Menschen schneller kennen und oft wird aus anfänglichem sich gut verstehen ein „Boah,
nee die Person geht gar nicht.“ Bei einigen Abreisenden brach eine Welt zusammen
und man hat geheult. Bei anderen ging die Abreise vorüber, ohne dass man es
merkte. Weihnachten und Silvester gingen als Nebensächlichkeiten an mir vorbei.
Tage an denen ich mich sehr zurückgezogen habe und meine Ruhe haben wollte. Es
waren Tage an denen viele Tränen geflossen sind und die Erinnerungen über einen
hereinbrachen.
Während der REHA gingen meine Leberwerte extrem durch die
Decke auch eine Umstellung der Tabletten brachte keinen Erfolg. Man sagte mir
dann man müsste die Tabletten absetzen und ich könnte „Tavor“ als Notfallmedikament
bekommen… Gleichzeitig kamen die Warnungen was das Zeug für Nebenwirkungen hat
und ich dachte mir nur „NEIN, sooo schlecht kann es mir nicht gehen.“ Lieber
verzog ich mich in mein Loch und heulte, als dass ich dieses Zeug genommen
hätte.
Die Tage vor der Abreise waren recht chaotisch zum einen
wieder packen und dann hieß es zuerst man würde mich Arbeitsfähig entlassen,
dann zwei Tage vor der Abreise, man hätte sich nochmal zusammengesetzt und
beschlossen es doch nicht zu machen ich sollte mal noch 6-12 Wochen zu Hause
bleiben. Ich sei noch nicht stabil genug. Am Tag der Abreise dann ein lachendes
und ein weinendes Auge, zum einen klar ist man immer froh, wieder nach Hause zu
kommen, auf der anderen Seite ließ man jetzt doch auch Menschen zurück die
einem echt ans Herz gewachsen sind.
Wieder zurück, war ich eigentlich genauso weit wie vor der
REHA. Die gleichen Tagesabläufe und Gedanken Karusselle. Übrig geblieben sind
wenige Menschen zu denen man hin und wieder Kontakt hat, realistisch gesehen
wird auch das wohl irgendwann vorbei sein. „Aus den Augen aus dem Sinn.“ Einige
Sachen hat man sich gemerkt und versucht sie anzuwenden. Manches funktioniert
auch ganz gut. Andere Dinge verdrängt man doch immer wieder, obwohl man eigentlich
weiß, dass es einem helfen würde. Ich geb nicht auf und versuche weiter den
verdammten Berg hoch zukommen auch, wenn ich immer wieder runterrutsche.
Endlich hab ich inzwischen nach einem CT und einem
Orthopäden Termin auch den Grund für meine Rückenschmerzen, die jeder immer nur
mit „Ach, da ist nix“ abgetan hat. Kurz vor einem Bandscheibenvorfall… also
immer schön vorsichtig.
Psychologisch besteht aktuell keine Betreuung. Die
Therapeutin, welche ich ja vor der REHA hatte, hat die Zeit in der ich weg war
leider nicht genutzt um einen Antrag bei der Kasse zu stellen und auch kein
einziges Mal nach mir gefragt (bei meinen Mitpatienten in der REHA meldeten
sich die jeweiligen Therapeuten mindestens einmal pro Woche). Auch habe ich
durch die Erfahrung mit der Therapeutin in der REHA feststellen müssen, dass
passende Chemie wichtig ist und hier auch nicht bestand. Also muss die Suche
nach einem Platz von vorne beginnen, das habe ich bisher allerdings nicht
geschafft… einfach keinen Nerv mich wieder in die endlosen Warteschleifen zu hängen und Anrufbeantwortern zuzuhören.
Inzwischen hat das Arbeitsleben auf meinen eigenen Wunsch
hin auch wieder begonnen. In der Hoffnung dadurch wieder eine gewisse
Stabilität und Regelmäßigkeit in meinen Alltag zu bringen. Die Tage vorher
waren ein ganz schönes durcheinander. Angst und Freude hielten sich die Waage.
Schon komisch nach fast einem Jahr zurück an den alten Arbeitsplatz zu gehen.
Viele aus der REHA haben den Job gewechselt, oder sind noch nicht soweit. Ich
hoffe mich wieder einleben zu können und mich nicht fremd zu fühlen und
irgendwann festzustellen, dass es nicht mehr geht.
Die nächsten Wochen werden
es zeigen…